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Albertz

Heinrich Albertz

*22.01.1915   †18.05.1993

Heinrich Albertz wurde am 22. Januar 1915 als Sohn des Oberkonsistorialrates und königlich-preußischen Hofpredigers Hugo Albertz und seiner Ehefrau Elisabeth, geb. Meinhof in Breslau geboren. 

Nach seinem Theologiestudium in Breslau, Halle und Berlin praktizierte er ab 1939 als Vikar und evangelischer Pastor in Breslau und in Kreutzburg/Oberschlesien. Er gehörte der Bekennenden Kirche an. 

1939 heiratete Heinrich Albertz Ilse, geb. Schall. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter und ein Sohn hervor. 

Von 1939 bis 1941 war Heinrich Albertz als Pfarrer der Bekennenden Kirche oftmals den Repressalien seitens der Nazis ausgesetzt, bis hin zur Verhaftung 1941. In deren Folge meldete er sich freiwillig zur Wehrmacht, da er wegen Verstoßes gegen den Kanzelparagraphen zu einer mehrmonatigen Zuchthausstrafe verurteilt worden war. Darüber hinaus war er als Wehrmachtsangehöriger vor dem Zugriff durch die Gestapo geschützt. 

Nach einem Fürbitte-Feldgottesdienst für Martin Niemöller wurde Heinrich Albertz 1943 erneut verhaftet und im Wehrmachtgefängnis der Festung Glatz für mehrere Monate inhaftiert. Bis zum Kriegsende war Heinrich Albertz Soldat, zum Schluss mit dem Dienstgrad eines Obergefreiten. Von 1945 bis 1949 war Heinrich Albertz Evangelischer Flüchtlingspastor in Celle, zunächst bei der Superintendentur des Kirchenkreises Celle, nach kurzer Zeit auch für die Stadt Celle im Flüchtlingsamt der Stadt. 

1946 trat Heinrich Albertz in die SPD ein. 1947 wurde Heinrich Albertz als erster Flüchtlingsabgeordneter in den Niedersächsischen Landtag gewählt. Er wurde Mitglied des Flüchtlingsrates der Britischen Zone und 1948 in den Flüchtlings-Beirat beim SPD-Parteivorstand berufen. Am 9. Juni 1948 wurde Heinrich Albertz Flüchtlingsminister des Landes Niedersachsen in der Regierung Kopf, ab Juni 1951 kam das Sozialressort hinzu. Seine genaue Amtsbezeichnung lautete nun: Niedersächsischer Minister für Sozial-, Gesundheits- und Flüchtlingsangelegenheiten. 

Im Mai 1950 wurde Heinrich Albertz in den SPD-Parteivorstand gewählt, in dem er bis zum März 1968 ununterbrochen Mitglied war. Außerdem war er 1949 bis 1965 Bundesvorsitzender der "Arbeiterwohlfahrt". 

Nach dem Rücktritt der Regierung Kopf im Mai 1955 erhielt Heinrich Albertz einen Ruf Willy Brandts nach Berlin. Er folgte diesem Ruf und wurde am 1. August 1955 zunächst Senatsdirektor beim Berliner Senator für Volksbildung. Ab 1959 war Heinrich Albertz Bevollmächtigter des SPD-Parteivorstandes in Berlin und wurde kurz darauf vom Regierenden Bürgermeister Brandt zum Chef der Berliner Senatskanzlei ernannt. 

Ende 1961 wurde er zum Berliner Innensenator berufen. Im Frühjahr 1963 gab er das Innenressort ab. Er wurde als Bürgermeister Stellvertreter Brandts und vereinigte dieses Amt mit dem Ressort für Innere Sicherheit und das Polizeiwesen. Ab November 1965 übernahm er wieder das gesamte Innenressort. 

Seit 1963 war er zudem Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Im kirchlichen Bereich gehörte er der Provinzialsynode der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg (Berlin-West) an. Von den vielen weiteren Mitgliedschaften Heinrich Albertz' in Verbänden und Vereinen sei stellvertretend nur die in der Evangelischen Akademikerschaft genannt, in der er seit 1968 Vorsitzender war. 

Schließlich wurde Heinrich Albertz, nachdem Willy Brandt als Außenminister der Großen Koalition nach Bonn gegangen war, als dessen Nachfolger im Dezember 1966 Regierender Bürgermeister von Berlin. Hier übernahm er auch die Funktionen von Senator Klaus Schütz (Bundesrat und Post), der Brandt nach Bonn begleitete. In den Abgeordnetenhauswahlen vom April 1967 in seinem Amt noch vom Wähler bestätigt, trat Heinrich Albertz am 26.9.1967 als Regierender Bürgermeister von Berlin zurück. Offiziell räumte er Fehler bei der von ihm zu verantwortenden Vorgehensweise der Berliner Polizei gegen die Studentenproteste während des Schah-Besuches am 2./3.Juni 1967 und danach ein. Jedoch nicht allein die Studentenunruhen mit dem Tod Benno Ohnesorgs am 2.Juni als unrühmlichem Höhepunkt, sondern vor allem - wie Heinrich Albertz in diversen Briefwechseln mit ihm nahestehenden Persönlichkeiten später sagte - die Verfilzung der Berliner Politik und der nach Meinung Heinrich Albertz' zu stark aufgeblähte Verwaltungs- und Beamtenapparat auf Bezirksebene hatte zu unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten zwischen Heinrich Albertz als Regierendem Bürgermeister und der eigenen Fraktion auf der einen und der Regierungskoalition auf der anderen Seite geführt. Sein Nachfolger im Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin wurde Klaus Schütz. 

Heinrich Albertz zog sich in den Folgejahren nach und nach aus der Berliner Politik zurück, legte nach andauernden Querelen mit dem Berliner SPD-Parteivorstand ein Amt nach dem anderen nieder, schließlich im Juni 1970 auch sein Abgeordnetenhaus-Mandat. Noch im selben Jahre 1970 verließ er die Berliner SPD und schloß sich pro forma dem SPD-Bezirk Rheinland-Hessen-Nassau an. 

Fortan war Heinrich Albertz "nur" noch Gemeindepfarrer im Hauptberuf: Zunächst ab August 1970 als kommissarischer Pfarrer in der Evangelischen Fürbitt-Gemeinde in Berlin-Britz. Von August 1971 an übernahm er eine Kreispfarrstelle in der Berliner Gropiusstadt, bevor er 1974 Pastor der Evangelischen Gemeinde von Berlin-Schlachtensee wurde. Im März 1979 trat er von dort aus vorzeitig in den Ruhestand. 

1986 zogen Heinrich Albertz und seine Frau Ilse in ein Altenheim nach Bremen, wo eine Tochter wohnte. Heinrich Albertz schätzte die, wie er einmal sagte, "in jeder Beziehung frischere Luft" in diesem Stadtstaat. 

In den siebziger Jahren setzte sich Heinrich Albertz verstärkt für eine sensible Behandlung der politischen Straftäter von links ein. Die Mörder der terroristischen RAF-Szene würden "von der Gesellschaft produziert". 1975 flog Heinrich Albertz im Zuge der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz als Gewährsmann mit den damals freigepreßten Terroristen nach Aden im Südjemen. 

In den Endsiebziger und den Achtziger Jahren engagierte sich Heinrich Albertz sehr intensiv in der Friedensbewegung und bei Abrüstungs- bzw. Anti-Nachrüstungsinitiativen. In bzw. an die Öffentlichkeit trat Heinrich Albertz in der Zeit zwischen 1968 und 1993 ferner als Unterstützer zahlreicher Menschenrechtsgruppen, Unterzeichner und Repräsentant vieler Bürgerinitiativen und -aktionen, als regelmäßiger Sprecher des "Wortes zum Sonntag", als Referent, Mahner und Diskutant bei den "Deutschen Evangelischen Kirchentagen" in der Bundesrepublik und in eingeschränktem Maße auch in der DDR sowie als Verfasser mehrerer Bücher. 

Dazu kommen an "publizistischen Äußerungen" etliche Aufsätze und Interviews in Presse, Funk und Fernsehen und ungezählte Manuskripte und Mitschriften von Predigten, Reden und Vorträgen. Nach der Publikation von "Blumen für Stukenbrock" 1981 wurde Heinrich Albertz in das P.E.N.-Zentrum der Bundesrepublik Deutschland als Mitglied aufgenommen. Heinrich Albertz erfuhr daneben weitere zahlreiche Ehrungen. So erhielt er u.a. das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband (1967), die Marie-Juchacz-Plakette der Arbeiterwohlfahrt (1969), die Carl-von-Ossietzky-Medaille (1975) und den Gustav-Heinemann-Bürgerpreis (1980). 

Am 18. Mai 1993 starb Heinrich Albertz im Alter von 78 Jahren in Bremen.

(Text: AdsD)

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