Unsere Arbeit

Von den Horten lernen....

Von: Judith Adamczyk

 

Horte sind wohl eine der wenigen Institutionen im Bildungsbereich, die ganz unterschiedliche Assoziationen auslösen. Während Horte in einigen Bundesländern ein fest etabliertes Angebot der Kindertagesbetreuung mit langer Tradition darstellen, sind sie in anderen Bundesländern entweder selten zu finden oder kaum bekannt.

Unter Horten werden sozialpädagogische Einrichtungen verstanden, die im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe der Kindertagesbetreuung von Kindern im Grundschulalter dient. Die Betreuungsquote der Kinder im Alter von 6-10 Jahren an Horten beträgt bundesweit etwa 16%. Dabei findet sich vor allem in den ostdeutschen Bundesländern eine deutliche Hinwendung zur Betreuung in Horten. In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt findet sich eine lange Horttradition. In anderen Bundesländern wurden Horte hingegen zugunsten schulischer Ganztagsbetreuung abgebaut (NRW, Berlin und Hamburg). In den anderen Bundesländern findet sich eine gemischte Angebotsstruktur.

Rechtliche Verankerung

Horte sind Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und haben damit einen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag nach SGB VIII. Auf Landesebene erfolgen dann Ausführungen durch entsprechende Gesetze, Verordnungen oder Vorschriften. In einigen Ländern ist der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder bereits jetzt schon verankert, z. B. Brandenburg oder Sachsen-Anhalt. Ein bundesweiter Rechtsanspruch steht aber noch aus…

Das allgemeine Ziel ist eigentlich ganz klar: alle wollen, dass Kinder in guten – also in pädagogisch wertvollen, kindorientierten – Settings durch gut ausgebildete Fachkräfte betreut werden, unabhängig davon, ob diese Betreuung in Ganztagsschulen, Horten oder bei Kindertagespflegepersonen stattfindet.

Dabei sind verbindliche Qualitätsstandards, z. B. ein rechtlich zugesicherter Betreuungsumfang oder Festlegungen bezüglich des pädagogischen Fachpersonals bislang fast ausschließlich bei den Horten zu finden. So haben z. B. in Sachsen-Anhalt alle Kinder von der Geburt bis zur Versetzung in den 7. Schuljahrgang Anspruch auf eine ganztägige Betreuung in einer Kindertageseinrichtung (§ 3 Kinderförderungsgesetz (KiFöG)).

Gerade in den Bundesländern, in denen Horte eine feste Tradition in der Betreuungslandschaft zukommt und sie im Verantwortungsbereich der Kinder- und Jugendhilfe liegen und somit im Rahmen des SGB VIII verankert sich, zeigt sich die Qualität auch anhand des Personals, welches in Horten arbeitet. Laut Berechnungen der Bertelsmann Stiftung im Rahmen des Ländermonitors Frühkindliche Bildungssysteme zeigt sich, dass gerade in den ostdeutschen Bundesländern fast nur staatlich anerkannte Erzieher*innen in Horten tätig sind. Dieses hohe Qualifikationsniveau der in Einrichtungen tätigen Personen findet sich bspw. in Angeboten an Ganztagsschulen nicht, hier ist die Vielfalt der Professionen viel größer. Natürlich kann Heterogenität in professionellen Kontext auch gute Betreuung mit vielfältigen Möglichkeiten für die Kinder bedeuten. Hier braucht es allerdings Konzepte, in welche diese Heterogenität eingebettet ist – und diese Konzepte fehlen in der Debatte rund um multiprofessionelle Teams in der Kindertagesbetreuung noch zum großen Teil. Und gerade im Hinblick auf die Forderung, dass GUTE Ganztagsbetreuung das Ziel sein muss, kann sich niemand damit zufrieden geben, „irgendjemanden“ mit der Betreuung von Grundschulkindern zu beauftragen.

Damit bieten die Rahmenbedingungen der Horte aber auch eine ideale Vorlage für andere Bereiche der ganztägigen Betreuung. Zugespitzt formuliert: Horte bieten – im Vergleich zu vielen Ganztagsangeboten an Schulen – eine umfangreiche Betreuung für die Kinder sowie besser qualifizierteres Personal.

Beispiel für eine sehr gute Fachkraftquote: der Hort Kannenstieg in Magdeburg

Der Hort Kannenstieg betreut 180 Kinder in Magdeburg in Trägerschaft der KITAWO gGmbH. Die Kinder kommen aus sozial sehr unterschiedlichen Familien. Die Zahl der betreuten Kinder entspricht etwa 80% der Kinder der zugehörigen Schule.

  • 47% der Kinder haben einen Migrationshintergrund
  • der Hort befindet sich im Schulgebäude – es gibt Räume in alleiniger Nutzung aber auch in Doppelnutzung mit der Schule
  • die Öffnungszeiten sind von 06:00-07:30 Uhr und von 12:40-17.30 Uhr während der Schulzeit und von 06:00-17:00 Uhr während der Ferienzeit
  • die Fachkraftquote beträgt 100%

Die Arbeit im Hort basiert natürlich auf den gesetzlichen Grundlagen SGB VIII sowie auf dem Bildungsprogramm „elementar“ für Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt. Der pädagogische Arbeitsansatz liegt in der offenen Arbeit. Die Ziele der pädagogischen Bildungs-, Betreuungs -und Erziehungsarbeit sind:

  • Vermitteln von Alltagswissen, Lernen in Sinneszusammenhängen, Förderung von persönlicher Autonomie und Zufriedenheit, sowie die Fähigkeit, auf sich selbst zu achten. Kinder werden als Experten ihres eigenen Lebens ernst genommen und Kinder werden als gleichwertig angesehen
  • Gemeinsames Aushandeln von Regeln, Einbeziehung der Kinder in Prozesse, Möglichkeiten zur Kreativität schaffen, Zulassen von Fehlern, Förderung der Kompromissbereitschaft, zu Wort kommen lassen und ernst nehmen der Kinder in ihren Deutungen von Situationen, Gestalten von Situationen mit und durch Kinder, Zulassen von Selbstbildung, Konsequenzen aus eigenem Handeln ziehen und tragen lassen, niemanden ausgrenzen

Der Hort hat einen umfassenden Blick und fördert die formelle wie informelle Bildung. Die schulischen Leistungen stehen nicht im Vordergrund. Das Augenmerk liegt auf der Gesamtentwicklung des Kindes (körperliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes anregen, die Gemeinschaftsfähigkeit fördern und Benachteiligungen ausgleichen sowie die Teilhabe aller ermöglichen). Es fällt auf, dass viele Kinder während der Schulzeit Verhaltensauffälligkeiten aufweisen oder sich im regulären Unterricht nicht wohlfühlen. Im Hort hingegen wirken sie durch die Vielzahl unterschiedlicher Angebote ausgeglichener, die Spielfreude, das Engagement, die Begeisterung steigen und es lässt sich mehr Konzentration und Aufmerksamkeit feststellen.

Die Kinder entscheiden selbst, wann sie wo, mit wem und womit sie tätig sind. Sie lernen ihre Zeit selbst und sinnvoll zu organisieren und mit anderen abzusprechen. Sie lernen sozial kompetentes Verhalten in den vielfältigen Situationen. Somit können sie sich ausprobieren, unterschiedliche Erfahrungen sammeln und herausfinden, welches ihre Stärken und Interessen sind und wo sie sich Unterstützung holen können. Die Kinder entscheiden auch selbst, wann sie ihre Hausaufgaben anfertigen möchten und welche Unterstützung sie dazu benötigen. Hierzu tragen sie sich mittags in Listen für eine gewünschte Zeit ein. Somit ist das Anfertigen der Hausaufgaben (auf Wunsch mit Unterstützung) in einer ruhigen Atmosphäre gewährleistet. Durch diese Arbeitsweise sind folgende Dinge im Hort entstanden:

  • Kinderrat
  • Sinnesgarten (2008 mit Kindern, Eltern und Erzieher*innen angelegt, wird demnächst umgestaltet, da die Kinder neue Vorstellungen haben)
  • Weitere Angebot: Sportspiele (Handball, Fußball, …), Baden, experimentieren, Märchenstunde, kochen und backen, Line Dance, Geplante Kreativangebote, Spaß mit Mathe, Monatliche Geburtstagsfete, Angebote von Kindern für Kinder

Die rechtliche Verankerung stützt die die Entwicklungen der Horte. So muss z. B. in Brandenburg jede Kindertagestätte über eine Konzeption verfügen, die Ziele und Aufgaben der pädagogischen Arbeit darstellt, die Grundsätze der elementaren Bildung beschreibt und die Festlegung der Überprüfung der pädagogischen Qualität beschreibt (KitaG § 3 Absatz 3). Die Erarbeitung einer Konzeption ist dabei als wichtiges Element zur Qualitätssicherung anzusehen – Leitlinien der pädagogischen Arbeit werden hier festgehalten und geben einen Rahmen für die alltägliche Arbeit.

Ein wichtiges Element für die Qualität der Horte ist auch eine gute Zusammenarbeit und Kooperation zwischen Horten und Schulen. Hier kommt es häufig zu Spannungen vielfältiger Natur. Zentral ist aber, dass Horte und Schulen häufig unterschiedliche Bildungsverständnisse haben. Eine gute Zusammenarbeit ist hier aber immens wichtig, schon alleine deshalb, damit für die Eltern der Kinder kein „doppelter“ Kommunikationsaufwand nötig wird. Oft sind die Horte zudem in Räumen der Schulen angesiedelt und es werden im Rahmen des Hortes z. B. Hausaufgaben übernommen. Es braucht also ein Gesamtkonzept, um die Bildungsangebote in Schulen und außerunterrichtlichen Einrichtungen aufeinander abzustimmen und gemeinsam auszugestalten.

Natürlich bietet nicht jeder Hort eine qualitativ bessere Betreuung als das Pendant „Ganztagsschule“ an. Für gute Betreuungsangebote ist mehr nötig, als eine rechtliche Festlegung auf den Betreuungsumfang. Auch Horte müssen sich der Aufgabe stellen, kindgerechte Angebote zu machen, die weder einen verlängerten Kindergarten noch eine bloße Hausaufgabenbetreuung darstellen. Viele Einrichtungen haben bereits viel Arbeit und Mühe investiert, Horte zu ansprechenden und pädagogisch wertvollen Orten für Kinder zu machen. Beispielhaft sind hier AWO-Horte angeführt, die vor allem auf die Kindperspektive und Partizipation setzen. Hier stehen die Interessen und Kompetenzen der Kinder im Mittelpunkt, die Kinder werden an Entscheidungen einbezogen, bspw. durch Etablierung eines Kinderrates oder auch durch die Möglichkeit eigene „Angebote“ anzubieten. Ein weiteres wichtiges Thema ist auch Chancengerechtigkeit. Durch die Arbeit der Horte werden auch denjenigen Kindern Aktivitäten ermöglicht, bei denen sonst finanzielle Problemlagen die Beteiligung an Vereinen, Kursen oder Ausflügen erschweren.

Beispiel für Chancengerechtigkeit: der Hort Grüna in Chemnitz

Der Hort Grüna betreut 166 Kinder der Klassen 1 bis 4 und ist an die Baumgartenschule in Grüna, einem Ortsteil von Chemnitz angeschlossen. Räumlich befindet sich der Hort im Erdgeschoss der Schule mit gemeinsamer Nutzung der Außenanlage, gebettet in ein ländliches Gemeinwesen und der Nähe zum Wald.

 

Im Fokus unserer pädagogischen Arbeit steht das Bild des Kindes mit all seinen sozialen Kompetenzen, individuellen Lebenslagen und Interessen. Kinder der 1. und 2. Klassen werden im Rahmen der Gruppenarbeit betreut, die Klassen 3 und 4 in offenen Themenräumen. Besonderheit dabei stellen unsere derzeit 28 VKA-Kinder dar, welche in unserer Schule „Deutsch als Zweitsprache“ erlernen und in der Nachmittagsbetreuung mit Unterstützung unseres Hortes und unserem Integrationsbeauftragten integriert werden.

In dieser gemeinsamen Zeit verstehen wir uns als Begleiter der Kinder. Wir greifen Themen auf, die unsere Kinder interessieren, nehmen wahr, wenn es Konflikte oder familiäre Notlagen gibt. Wir stehen unseren Kindern im Falle von Mobbing und Ausgrenzung helfend zur Seite und nutzen unsere Kooperationen im Gemeinwesen, um diese Themen durch externe Unterstützer zu begleiten. Mit Hilfe des Kinderrates befähigen wir unsere Kinder die Kompetenz der emotionalen Intelligenz für sich, sowie den Umgang mit anderen zu stärken, sich aktiv im Hort zu beteiligen und bieten die Möglichkeit der Beschwerde. Am Nachmittag haben unsere Kinder Zeit zum gemeinsamen Austausch, die im Rahmen der Schulzeit oftmals nicht vorhanden ist. Dabei erlernen sie den Umgang mit Frustration, Streitigkeiten und das Einfügen in die Gruppe.

Während der Hortzeit unterstützen wir unsere Kinder im Bereich der Hausaufgabenerledigung und befähigen sie ihre Freizeit eigenständig zu organisieren und herauszufinden, welche Talente und Interessen sie haben. Wir zeigen dabei die unterschiedlichsten Möglichkeiten auf, zu denen unter Umständen nicht alle Kinder in ihrem häuslichen Umfeld einen Zugang hätten.

Wir ermöglichen im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften einen facettenreichen Tätigkeitsbereich zum Ausprobieren, wie zum Beispiel Breakdance-AG, Schach-AG, Yoga, Kreativ-AG, Theater-AG oder das Strickenlernen durch Grünaer „Omas“.

Insbesondere das Programm in den Ferien ermöglicht es, mehr Gerechtigkeit im Rahmen der Freizeitgestaltung herzustellen: Der Hort bietet, im Sinne seines sozialpädagogischen Auftrages, einen kompensatorischen Anteil zu den individuellen Lebenslagen der Kinder. Für einige Kinder sind die Ausflüge in der Ferienzeit mit dem Hort die einzigen außerhäuslichen Freizeitbeschäftigungen. Als Besonderheiten wären hier der Besuch des Dresdner Flughafens, ein dreitägiger Skikurs und unsere einwöchige Jugendherbergsausfahrt in den Sommerferien mit Kindern der 3. Klasse zu nennen.

In unserem Hort hat die Vernetzung zur Schule, den Eltern unserer Kinder, der Schulsozialarbeit, dem Integrationsbeauftragten und dem Kinderhaus Baumgarten genauso einen hohen Stellenwert, wie die Arbeit mit unseren Kindern an sich. Unser aller Ziel ist es die Kinder auf ihrem Weg zur Selbstständigkeit zu begleiten.

Im Rahmen der Teamarbeit nutzen wir zur Bedarfsermittlung die Instrumente der kollegialen Fallberatung, verschiedene Beobachtungsmechanismen, sowie Kinderschutzkonzepte.

Die Arbeit im Hort verdient auch zukünftig einen höheren Stellenwert, da wir in unserer Einrichtung eine Lebenswelt mit Reibungspunkten und Gemeinschaftsentfaltung zum Wohle der Kinder schaffen, die Familien nach dem Unterricht nicht bieten können. Damit ist der Hort die wichtige sozialpädagogische Säule im Ganztagsschulsystem.

Unbestritten ist: die Kinder profitieren von gut konzeptionierten Horten, den denen das Wohl der Kinder im Mittelpunkt steht und die pädagogische Arbeit an der Lebenswelt der Kinder ausgerichtet ist. Wichtig ist es, den Hort nicht nur als „verlängerte Schulzeit“ anzusehen und die pädagogische Arbeit nach der Prämisse des Wohlbefindens und der Entwicklungsmöglichkeiten für die Kinder auszurichten. Bisher vorliegende Standards für die Arbeit in Horten sind positiv zu bewerten. Das spricht für qualitativ hochwertige Angebote der Kinder- und Jugendhilfe. Daher ist es kaum zu akzeptieren, dass diese Standards nicht für alle Kinder in ganztägigen Angeboten vorliegen und z. B. schulische Angebote andere oder gar keine verbindlichen Vorgaben aufweisen. In diesem Kontext zeichnet sich bereits jetzt eine Entwicklung ab, die nicht hinzunehmen ist: einzelne Bundesländer fahren das etablierte Angebot der Hortbetreuung langsam zurück – zugunsten des Ausbaus von schulischen Ganztagsangeboten. Hier gilt es, die Bedeutung und auch die Verbreitung des Hortsystems aufzuzeigen, damit das Angebot weiterhin als Betreuungsoption zur Verfügung steht – damit auch die Wahlfreiheit für Familien und Kinder gegeben ist.

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