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07.06.2024 | Pressemitteilung

Häusliche Gewalt: Arbeiterwohlfahrt kritisiert alarmierende Defizite im Hilfesystem

Die ausreichende Finanzierung des Gewaltschutzes muss jetzt mit einem Bundesgesetz geregelt werden.

Das heute veröffentliche Lagebild Häusliche Gewalt zeigt das wachsende Ausmaß von Gewalt gegen Frauen, während eine vor erst knapp einer Woche veröffentlichte Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) alarmierende Defizite im Hilfesystem für von Gewalt betroffene Frauen belegt. Die Arbeiterwohlfahrt kritisiert Versäumnisse der Politik.

 

„Die jüngsten Zahlen zeigen eindringlich, dass Bund, Länder und Kommunen es sich schlicht nicht erlauben können, weiter untätig zu bleiben“, erklärt dazu Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt, „Die Unterfinanzierung des Hilfesystems ist nicht nur ein Versäumnis, sondern eine direkte Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens vieler Frauen. Wir fordern die Bundesregierung auf, unverzüglich zu handeln und die notwendigen Mittel bereitzustellen, um den betroffenen Frauen Schutz und Unterstützung zu bieten. Notwendiger Schutz und bitter nötige Hilfe dürfen nicht an Sparplänen und Finanzierungsfragen zwischen Bund, Ländern und Kommunen scheitern. Die ausreichende Finanzierung des Gewaltschutzes muss jetzt mit einem Bundesgesetz geregelt werden.“

 

Laut der Studie des BMFSFJ sind die bestehenden Ressourcen und Angebote bei Weitem nicht ausreichend, um den Bedarf der Betroffenen zu decken. Es fehlt an finanzieller Unterstützung, Personal und Schutzräumen, was zur Folge hat, dass viele Frauen keine angemessene Hilfe erhalten können.

 

„Diese gravierenden Mängel im Hilfesystem sind besonders besorgniserregend, da sie das Leben und die Sicherheit vieler Frauen gefährden. Die prekäre Situation der Gewaltschutzarbeit ist ein seit Jahrzehnten ungelöstes Dauerproblem. Es gilt, jetzt endlich ernsthaft Versäumnisse zugunsten Gewaltbetroffener anzupacken“, so Sonnenholzner, „Wir fordern, dass umgehend ein Gesetzentwurf zur wirksamen Bekämpfung von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt vorgelegt wird, damit das Recht auf Schutz und Beratung für jede gewaltbetroffene Frau verwirklicht werden kann. Es braucht deutschlandweit deutlich mehr Hilfe- und Unterstützungsangebote – so wie von vielen Sozialverbänden und dem Expert*innenausschuss GREVIO des Europarates zur Umsetzung der Istanbul-Konvention gefordert – und eine solide Finanzierung von Frauenhäusern, Fachberatungsstellen bei häuslicher Gewalt, Frauennotrufen und Interventionsstellen.“

Hintergrund:

2023 wurden 132.966 weibliche Opfer von Partnerschaftsgewalt erfasst (Vorjahr: 126.349). Etwa 80 % der Opfer von Partnerschaftsgewalt sind Frauen; ca. 78 % der Tatverdächtigen sind Männer. 155 Frauen sind 2023 durch Partner oder Ex-Partner getötet worden (Vorjahr: 133 Frauen).

 

Die aktuell veröffentlichte Kostenstudie zum Hilfesystem für Betroffene von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt des BMFSFJ bestätigt die Unterfinanzierung des Hilfesystems. Erstmalig wurden mit dieser Studie belastbare Zahlen für Deutschland erhoben. So haben 2022 rund 30.000 Frauen und ihre Kinder Zuflucht in einem Frauenhaus gefunden. Mehr als 400.000 Beratungsgespräche mit mehr als 138.000 Frauen wurden geführt. Es gibt nachweislich einen erheblichen Mehrbedarf an Frauenhausplätzen, Beratungskapazitäten und Fachkräften.

 

Auf € 270 Mio. beliefen sich die erfassten Gesamtkosten 2022. Gleichzeitig zeigen Berechnungen in der Studie, dass mindestens weit mehr als das Doppelte nötig wäre, um das Hilfesystem bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Nur durch erhebliche Eigenanteile zur Finanzierung durch Trägerorganisationen wie die der Arbeiterwohlfahrt kann bislang die Gewaltschutzarbeit mit Frauenhäusern, Fachberatungs- und Interventionsstellen und weiteren notwendigen Angeboten aufrechterhalten werden. Während der Bund sich über sozialrechtliche Leistungsansprüche mit ca. € 13,2 Mio an den Kosten beteiligt hat, liegt der Finanzierungsanteil durch Trägerorganisationen bei mehr als € 62 Mio. Länder und Kommunen haben rund € 180 Mio. zur Finanzierung der Kosten beigetragen.

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