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15.05.2020 | Artikel

Stellungnahme zum Sozialschutzpaket II

Von: Valentin Persau

 

Ende März 2020 wurde ein milliardenschweres Corona-Paket beschlossen, um die pandemiebedingten Auswirkungen für Wirtschaft und Gesellschaft zu adressieren. Zum Kern dieses Maßnahmenbündels gehörte das Sozialschutz-Paket I, mit dem u.a. die Voraussetzungen für den Zugang zum Kurzarbeitergeld und zu Leistungen der Grundsicherung verbessert wurden. Außerdem wurde eine Bestandssicherung für soziale Dienstleister geschaffen. (vgl. https://www.awo.org/das-corona-paket-vom-maerz-2020-hilfen-fuer-die-men…)

Am 29. April folgte der Entwurf für das Sozialschutz-Paket II, das nach Beratung durch Bundestag und Bundesrat am heutigen Freitag verabschiedet wurde. Neben Regelungen zur Funktionsfähigkeit von Gerichtsbarkeiten sowie zu Durchführung und Beschlussfassungen von Sitzungen von Kommissionen und Ausschüssen, werden darin in verschiedenen Bereichen der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Erweiterungen und Ergänzungen zum ersten Sozialschutz-Paket vorgenommen. Dazu gehört eine schrittweise Anhebung des Kurzarbeitergeldes auf 80 bzw. 87 Prozent, eine Ausweitung der Hinzuverdienstgrenzen und eine verlängerte Bezugsdauer des Arbeitslosengeld I. Zudem wurden Ergänzungen im Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) vorgenommen. Für Kinder und Jugendliche wurde eine Regelung getroffen, die eine Kontinuität in der Versorgung mit einem Mittagessen sicherstellen soll. 

Die Arbeiterwohlfahrt hat sowohl zur Formulierungshilfe des Gesetzentwurfes als auch anlässlich der öffentlichen Anhörung im Bundestag schriftlich zu einzelnen Aspekten des Gesetzentwurfes Stellung genommen. (vgl. unten stehenden Link zur Stellungnahme). Im Folgenden werden die zentralen Regelungen zusammenfassend beschrieben, bevor eine knappe Bewertung des Gesetzes folgt.  

1. Arbeitsmarktpolitik

Das Gesetz sieht für Anspruchsberechtigte des Kurzarbeitergeldes (KUG) mit einem Verdienstausfall von mindestens 50 Prozent, die bisher 60 bzw. 67 Prozent vom fehlenden Nettoentgelt erhalten, ab dem vierten Monat eine Höhe von 70 bzw. 77 Prozent und ab dem siebten Monat in Höhe von 80 bzw. 87 Prozent vor. Die Hinzuverdienstmöglichkeiten werden befristet bis zum Jahresende auf die Grenze der vollen Höhe des bisherigen Monatseinkommens für alle Berufe erweitert. Für Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld zwischen Mai und Dezember 2020 ausläuft, wird die Bezugsdauer einmalig um drei Monate verlängert. 

2. Erweiterungen des Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG)

Das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) soll es bestimmten Sozialleistungsträgern ermöglichen, ihre Zahlungen an Leistungserbringer, die ihre vertraglich vereinbarte Dienstleistung Corona-bedingt nicht erbringen können, fortzuführen. Das Gesetz umfasst nun auch die Bestandssicherung von sozialen Dienstleistern, die Komplexleistungen im Bereich der interdisziplinären Frühförderung und Früherkennung nach dem SGB V bzw. SGB IX erbringen. Außerdem sind Mittel aus Betriebsschließungsversicherungen als „bereite Mittel“ gegenüber dem SodEG-Zuschuss vorrangig. In einer „Protokollerklärung“ haben die Regierungsfraktionen zudem darauf hingewiesen, dass die Beantragung des KUG keine Vorbedingung für den SodEG-Zuschuss ist (BT-Drs. 19/19204, S. 24). Im Übrigen haben sie einen Vorschlag unterbreitet, wie Fahrdienste, die in keinem unmittelbaren Vertragsverhältnis zum Leistungsträger stehen, gleichwohl in den Genuss von SodEG-Mittel kommen können (BT-Drs. 19/19204, S. 23). 

Link zur Drucksache: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/192/1919204.pdf 

3. Versorgung mit Mittagessen für bedürftige Kinder und Jugendliche 

Durch die pandemiebedingte Schließung von Schulen, Kindertagesstätten und der Kindertagespflege entfällt die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung. Das Gesetz sieht daher vor, eine Kontinuität der Versorgung mit Mittagessen für bedürftige Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen. Bisher wurde das gemeinschaftliche Mittagessen für Kinder und Jugendliche über das Bildungspaket finanziert. Der Wegfall der Versorgung in den Einrichtungen soll nun kompensiert werden, indem Aufwendungen für die Versorgung vom Bund weiter übernommen werden. Den Kommunen wird ein weiter Rahmen für die Umsetzung der Regelung gesetzt. In der Praxis soll das zubereitete Mittagessen beliefert oder abgeholt werden. Die dafür zusätzlich anfallenden Kosten werden, anders als noch im Gesetzentwurf vorgesehen, ebenfalls übernommen. Kinder, deren Familien im Bezug von Wohngeld oder Kinderzuschlag sind, gehören  ebenfalls zum Kreis der Anspruchsberechtigten. Der Wegfall des Kriteriums der Gemeinschaftlichkeit gilt auch für Leistungsberechtigte in Werkstätten für behinderte Menschen und für vergleichbare Einrichtungen.        

Bewertung des Gesetzes

Insgesamt sieht das Gesetz an vielen Stellen begrüßenswerte und nachvollziehbare Regelungen und Änderungen vor, um die wirtschaftlichen und sozialen Härten im Zuge der Corona-Pandemie zu adressieren. Bei den existenzsichernden und familienpolitischen Leistungen sind jedoch weitergehende Regelungen erforderlich, insbesondere ein finanzieller Zuschlag auf den Regelbedarf sowie die Möglichkeit, eine direkte Auszahlung der Bedarfe an die Familien für das Mittagessen von Kindern und Jugendlichen vorzunehmen. Weiterhin muss die Situation von prekär Beschäftigten und Familien noch stärker in den Blick genommen werden. Beim SodEG bestehen weiterhin Unklarheiten und Schutzlücken. Einerseits sind Leistungsanbieter ohne direkte Vertragsbeziehungen zum Leistungsträger nicht verlässlich abgesichert. Zudem beschränken sich die Aktivitäten sozialer Einrichtungen nicht auf die Erbringung sozialer Dienstleistungen gegenüber den Trägern. Viele weitere Einnahmeausfälle sind daher ebenfalls nicht abgesichert. Hier sind weitere Maßnahmen zum Bestandsschutz notwendig. Unser gemeinsames Anliegen muss sein, die mühsam errichtete soziale Infrastruktur in ihrer Vielfalt zu erhalten. 

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