Frauen

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Streichung von §218 StGB

Frauenpolitischer Erfolg im Juni 2022 - auch für die AWO, die sich seit ihrer Gründung für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen einsetzt

Am 24. Juni 2022 beschloss der Deutsche Bundestag die Abschaffung des sogenannten Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche (§219a StGB). SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und DIE LINKE stimmten für die Abschaffung, CDU/CSU und AfD dagegen. Auf der Ehrentribüne saß neben der Gießener Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel und weiteren Verbänden wie dem djb und dem Deutschen Frauenrat auch die AWO als wichtige zivilgesellschaftliche Akteurin im Kampf um die Streichung des §219a StGB. Der 24.Juni 2022 war ein wichtiger Tag für die Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper und ein großer Erfolg der Bewegung für sexuelle und reproduktive Rechte, zu der auch die AWO gehört.

Vor der Streichung mussten Ärzt*innen in Deutschland mit einer Anzeige und Verurteilung rechnen, wenn sie Informationen über Methoden und Kosten von Abbrüchen öffentlich zugänglich machten. Bedingt durch die restriktiven Gesetze zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen (§§218ff StGB) hatten ungewollt schwangere Personen grundsätzlich nur ein sehr geringes Zeitfenster für einen straffreien Abbruch. Die Möglichkeit, sich sofort, qualitativ hochwertig und niedrigschwellig auch im Internet zu informieren, war und ist daher von großer Bedeutung für Ratsuchende. Die zunehmenden Verurteilungen von Ärzt*innen aufgrund eines Verstoßes gegen das Werbeverbot führten in Verbindung mit der Stigmatisierung von Abbrüchen insgesamt zu einem deutlichen Rückgang von Ärzt*innen und Einrichtungen, die Abbrüche anbieten. Mit der Streichung des Paragrafen war es nun erlaubt, Patient*innen sachliche und berufsbezogene Informationen bspw. auch auf Praxis-Websites zukommen zu lassen. Alle Verurteilungen von Mediziner*innen aufgrund eines Verstoßes gegen den §219a StGB wurden infolge der Streichung aufgehoben, wie auch alle laufenden Verfahren eingestellt.

Der Streichung vorangegangen war eine 5jährige öffentlich geführte Auseinandersetzung, nicht nur über das Recht von ungewollt schwangeren Personen, niedrigschwellig ausreichend Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch zu erhalten, sondern auch um das Thema Entkriminalisierung von Abbrüchen, die medizinische Versorgungslage in Deutschland und den Stand der Gleichstellung der Geschlechter insgesamt. Da die AWO sich seit ihrer Gründung für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen einsetzt und Geschlechtergerechtigkeit eng mit reproduktiver Selbstbestimmung verbindet, wurde sie schnell eine wichtige Stimme für eine Streichung des Werbeverbots und setze sich mit öffentlichen Briefen, Fachtagungen und Stellungnahmen für Reformen ein.

Jede vierte Frau in Deutschland bricht im Durchschnitt einmal eine ungewollte Schwangerschaft ab, davon 96% in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen. Jährlich werden ca. 100.000 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. (Die Bezeichnung Schwangerschaftsabbrüche wird in Zusammenhang mit medizinischen Eingriffen verwendet. Abtreibung hingegen mit Bezug auf politische Debatten oder juristische Diskurse.) Ungewollte Schwangerschaften und Abbrüche sind also Alltagserfahrungen. Die Positionen, Erfahrungen und Bedarfe ungewollt Schwangerer kommen in persönlichen und öffentlichen Debatten aber wenig bis kaum vor. Die AWO wird sich in ihrer sozialanwaltschaftlichen Funktion und in ihrem Kampf um mehr Geschlechtergerechtigkeit gemeinsam mit ihren bundesweit vorhandenen Beratungsstellen für Schwangerschafts(konflikt)beratung dafür einsetzen, dass ungewollt schwangere Personen legal und medizinisch bestmöglich versorgt einen Abbruch erhalten kann, wenn sie ihn braucht. Eine außerstrafrechtliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen verbunden mit einer hochwertigen Beratungsinfrastruktur ist daher das nächste politische Ziel.

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